Was zum Teufel veranlasst einen gemütlichen Sofageneral und Table-Topper den gepflegten und ruhigen französischen Badeort Saint-Aubin-Sur-Mer zu verlassen und ins zerklüftete Hanauer Afghanistan zu reisen? Es ist die Neugier! Jawoll.
Afghanistan, gleich bei Hanau
Der Einladung des Hanauer Wargamerkollegen Spike zu einer Schnupperpartie CODE RED folgend, suchte ich die afghanischen Gefilde auf. Schon im Vorfeld wurde das Szenario über WhatsApp eingehend diskutiert und Armeelisten bekakelt. Ein episches Game kündigte sich an.
Die Region macht es deutlich: das CODE RED Game ist mehr in der Neuzeit angesiedelt. Für den WW-II-Sofagenral Sturmi mal was Neues, auf das man sich einlassen sollte. Die Spielparteien bei CODE RED: Taliban, Briten, Amis. Spike überließ dem Sturmi die Wahl der Partei und der entschied sich für die ungewöhnlichste Fraktion: für die Taliban. Was sich der Sturmi damit ungeahnterweise eingehandelt hat, kann man gleich nachlesen.
Das Setting
Szenario
Das Spielfeld von 1,80m x 1,20m wird längs von einer Straße geteilt. Die Briten und Amis haben insgesamt 20 Runden Zeit, das Spielfeld von einer Seite bis zur anderen zu durchmessen. Ihr Auftrag ist es, jeglichen auftauchenden Widerstand zu brechen und Gegner zu vernichten. Die Taliban haben den Auftrag, eben diesen Durchbruch zu verhindern. Die Taliban erhalten Siegpunkte: zwei Punkte für jede aus dem Spiel genommene britische oder amerikanische Figur sowie für eben so entfernte Führungskräfte der jeweiligen Armee. Die Taliban siegen, wenn Sie den Durchbruch der Briten und Amis für 20 Runden verhindert haben – oder wenn sie 50 Siegpunkte erstritten haben. Dabei muss man beachten, dass die Gefechtsfahrzeuge bemannt sind und bei Abschuss ebenfalls mit der verlorenen Mannschaft zum Zuwachs bei den Siegpunkten der Taliban beitragen können.
Sonderregel: sobald die Taliban 25 Siegpunkte erzielt haben, fordern Briten und Amis wegen zu hoher Verluste Luftunterstützung durch eine A10 Fairchild an. Ohne die Details verstanden zu haben, ist das dann das Ende der Talibans. Klartext: sobald die Talibans 25 Siegpunkte haben, verbleiben noch genau 10 Runden für das Einheimsen der fehlenden 25 Siegpunkte…
Taliban Army
Die Taliban Army weist neben den ca. 30 Fußgängern auch Spezialtrupps auf. 7 Teams mit RPG-7 sowie 2 Teams mit weiteren Panzerabwehrwaffen können die britischen und amerikanischen Fahrzeuge ausschalten. Den M1 Abrams können sie allerdings nur von hinten knacken, da er vorne zu stark gepanzert ist. Die Schützenpanzer sind da dünnhäutiger.
Stärke der Taliban Army sind 15 Hinterhaltkarten, die jederzeit und vor allem ohne Zusatzkosten eingesetzt werden können. Sie ermöglichen das spontane Auftauchen eines Trupps an fast jeder Position auf dem Spielfeld – solange diese Position mindestens 10 Zoll von der nächsten Feindeinheit entfernt liegt und kein direkter Sichtkontakt mit dem Feind besteht. Ein Auftauchen am oder im Busch ist also angesagt. Jetzt wissen wir auch, woher das englische Wort „ambush“ für Überfall herkommt…
Britische Armee
Die britische Armee setzt cirka 20 Soldaten ein, die stark bewaffnet sind. Für den Transport sind drei FV 510 Warrior, Mechanised Combat Vehicle (MCV) bereitgestellt.
US Armee
Die Amis sind am stärksten bewaffnet. Zum Retten der Welt hat man einen M1 Abrams sowie drei M2 Bradley mit ihrer 25 mm M242 Bushmaster-MK und einen HMMWV für die HQ-Section. Auch hier sind cirka 20 Mann im Einsatz.
Das Spiel
CODE RED ist ein rundenbasiertes Spiel, welches seine Runden in mehrere Phasen untergliedert. Eine Runde beginnt mit der Feststellung der Menge der Aktivitäten, welche die beiden Spielparteien ausführen können. Hierzu werden für jeden Einheitsführer zwei W10-Würfel gewürfelt. Für jede gewürfelte 5+ (bei normal ausgebildeten Einheiten), 6+ (bei Milizen) oder 4+ bei Veteranen kann später eine Aktivität ausgeführt werden. Wer die meisten Aktivitätspunkte erwürfelt, erhält die Initiative und beginnt mit seinem Zug. Der andere Spieler ist jedoch nur vordergründig passiv. Die Hinterhaltkarten der Taliban können jederzeit eingesetzt werden und sobald man angegriffen wird, wird erneut die Initiative für dieses Teilgefecht erwürfelt, so dass man sogar eventuell VOR dem Angreifer auf eben diesen schießen darf.
Flankierende Regeln für Nachschub und z.B. 2 Zoll Sichtweite in Wald und Gebüsch hinein sind für mich als Behind-Omaha-Spieler neu und wollen erforscht werden. Die Schußreichweite ist unbegrenzt, nur durch die Sichtlinie (LOS, Line of Sight) limitiert. Bewegungsreichweite sind 6 Zoll, beim Sprint 12 Zoll.
Okay… Let’s go…
Sofageneral Sturmi lässt seine Taliban durch Busch und Wald marschieren. Man kann ja nie wissen und etwas mehr Deckung und Tarnung hat noch nie geschadet. Wir wissen: „Der Krieg bevorzugt die Wissenden“.
Die Briten machen sich mit ihren Schützenpanzern auf den Weg durch den Busch.
Der Ami-Spieler ist wesentlich aggressiver als sein britischer Kollege. Auf der Straße und im Feld brettert er nach Vorne, den dickhäutigen M1 Abrams voraus, gedeckt durch einen Bradley. Ein Hinterhaltangriff auf den HMMWV geht leider schief – hätte er doch den Befehlshaber der Amis liquidiert und neben den Siegpunkten auch gleich die Maximalzahl der Runden-Aktivitäten der Amis reduzieren geholfen.
Die Talibans unterscheiden sich in Panzerknacker und normale Fußgänger. Letztere sind recht passiv. Die Panzerknacker hupfen meist per Hinterhaltkarte ins Spiel und versuchen, die Panzer auszuschalten. Einige preschen auch aus dem Gebüsch und versuchen ihr Glück. Bei den Briten geht es besser, die Amis sind zäher.
Seinereiner ist einer der recht erfolgreichen Talibans. Mit seiner Panzerbüchse (habe den Fachbegriff vergessen) hält er die gesamte britische Mannschaft auf. Zwei Schützenpanzer knackt er und zerlegt auch einen Fußtrupp.
Auf den folgenden Bildern erkennt man es schon: die Briten haben auf Granit gebissen – und das ganz ohne begleitende Pfefferminzsoße. Der britische Spieler war not amused, aber es half nichts. Allerdings muss man auch sagen, dass die taliban wohl „Spielleiter“-Würfel hatten und die Briten genau das Gegenteil. Dem Sturmi ist’s recht…
Die Amikaner waren lange recht erfolgreich. Der M1 Abrams preschte fast durch bis zum Plattenende. Dann aber fiel eine Horde Talibans von hinten ein und zerlegte einen Bradley und dann doch noch den HMMWV, der allerdings keine Besatzung mehr in sich barg. Auch die Fußtruppen wurden dezimiert. Die Schussgenauigkeit der Amis hatte wohl unter zuviel Tennessee Whiskey etwas gelitten.
Gegen 20:00 brachen wir das Spiel ab. Die Talibans hatten etwa 9 Trupps über das ganze Spielfeld verteilt. Die Briten und Amikaner waren gesplittet und konnten sich keine gegenseitige Unterstützung geben. Der Britenspieler sah seine Truppen noch nahe der Aufstellungszone versammelt – von Entfaltung keine Spur. Der Ami hatte seine Truppen (AFV und Fußgänger) über den gesamten Streifen von 1,80m verteilt.
CODE RED: das Resumée
Ja, und was ist es nun, die Sache mit CODE RED. Also erstmal hat das Game mit Spike, Daniel und John total viel Spaß gemacht. Es war eine mehr als unterhaltsame Angelegenheit, die nach Wiederholung schreit.
Die Vielzahl der neuen Regeln war schon echt heavy und man hatte den Kopf recht voll – für viel Taktik blieb da wenig Prozessorleistung im Gehirn übrig. Die (fast) unbegrenzte Schussweite erwies sich als entgegen meiner Befürchtungen als kein Vorteil für die Briten/Amis. Im Kampf gabs immer eine echte Würfelorgie ( Initiative erwürfeln, Treffer, Trefferstärke und Ergebnis). Gut finde ich, dass man auch wenn man angegriffen wird, dem Gegner eins überbretzeln kann und nicht das Lamm geben und sich abwatschen lassen muss. Das ermöglicht auch überraschende Effekte durch erfolgreiche Verteidigung.
Die vielen Boni und Mali bei der Errechnung von Panzerungs- und Durchschlagswerten war mir echt ein Gräuel. Auch die Vielzahl der unterschiedenen Infanteriewaffen sind beim ersten Spiel ein Horror. Hoffe, das legt sich mit der Zeit.
Das Spiel hat sehr viel Drive, was gut ist. Auch wenn der Gegner am Zug ist, kann man einiges tun. Von mir bekommt CODE RED jedenfalls ein ganz fettes PINK-UNICORN-PLUS.
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