Soll man über eine so profane Waffe wie ein Maschinengewehr tatsächlich schreiben? Diese Frage haben wir uns tatsächlich gestellt. Und wenn wir nicht bereits ein wenig in der Tiefe gewühlt hätten, wären wir wohl nicht auf die interessante Story hinter dem Lewis MG gestoßen. Das Lewis MG offenbart wesentlich mehr als die Art der Bewaffnung der Truppen der Niederlande des Jahres 1940.
Woher stammt das Lewis MG?
Die Geschichte des Lewis MG liest sich zunächst alles andere als erfolgreich. Das Lewis MG wurde von Samuel Neal McClean erfunden. McClean gründete im Jahr 1900 das Unternehmen McClean Arms & Ordnance Company, welches ein wassergekühltes Maschinengewehr entwickelte. Das geschäftliche Unterfangen war jedoch nicht von Erfolg gekrönt. 1908 wurde das Unternehmen verkauft, Lewis blieb jedoch im Unternehmen. Die Entwicklungsarbeiten führten zu einem wassergekühlten Gasdrucklader mit Schneckenmagazin, einem komplizierter Entwurf mit häufigen Ladehemmungen. US Army und US Navy lehnten den Entwurf nach mehreren Tests ab. Die McClean Arms & Ordnance Company wurde im Dezember 1909 geschlossen. McCleans Patente wurden sodann auf die 1910 neu gegründete Automatic Arms Company übertragen.
Isaac Newton Lewis betritt das Feld
Isaac Newton Lewis war Offizier der US Army, als er in Versuche mit McCleans Maschinengewehr involviert war. Im Jahr 1910 brachten die Investoren der AAC den Offizier Lewis dazu, in das Unternehmen als Anteilseigner einzusteigen und das unglückliche MG McCleans weiterzuentwickeln. Eine Aufgabe, der sich Lewis mit Elan wie mit Erfolg annahm. Lewis idetifizierte schnell die Schwächen des ersten Entwurfs seines Vorgängers und verbesserte Schließfeder und Magazin, wodurch die technologische Reife des Maschinengewehrs einen Sprung nach Vorne nahm.
USA verschlafen den Fortschritt
Der Erfolg des Lewis MG lag jedoch noch ein ganzes Stück in der Zukunft. Die Bestrebungen von Lewis, das MG an die US Army zu verkaufen, schlugen fehl. Auch seinen Vorschlag, das Maschinengewehr in Flugzeugen zu montieren und damit feindliche Bodenziele aus der Luft zu bekämpfen, wurden von seinen Gesprächspartnern verworfen. Er war seiner Zeit weit voraus und die Führung der amerikanischen Streitkräfte erkannte die Tragweite der neuen Technologien nicht. Die Führung der US-Streitkräfte sah zu diesem Zeitpunkt (1912) schlicht keine Verwendung für bewaffnete Flugzeuge. Damit war Lewis zwar technologisch einen guten Schritt weiter gekommen, doch wirtschaftlich zunächst in der Sackgasse gelandet.
Europa erkennt die Chancen
Lewis setzte seine Vermarktungsbestrebungen in Europa fort. In Großbritannien und Belgien stieß Lewis auf offene Ohren. Lewis eröffnete in Belgien eine Tochtergesellschaft – Armes Automatiques Lewis SA – und kooperierte kurz darauf mit dem Waffenhersteller Birmingham Small Arms Company (BSA) aus England. Seine ersten 50 Lewis-Maschinengewehre wurden von BSA in Handarbeit hergestellt. Um die MGs im Markt zu platzieren, wurden diese in sieben verschiedenen Kalibern hergestellt. Auch Deutschland wurde das Lewis-MG angeboten. Im Jahr 1913 testete die US-Army erneut ein Lewis-MG – erneut wurde es abgelehnt. Erst der Ausbruch des ersten Weltkriegs am 28. Juli 1914 brachte für Lewis den Stein ins Rollen. Die britische Regierung orderte eine größere Menge Lewis-Maschinengewehre.
Aufwind durch den Ersten Weltkrieg
Die Massenproduktion brachte eine weitere Verbesserung des Lewis MG mit sich und das Lewis MG bekam sein typisches Profil. BSA baute eine weitere Fabrik und die Produktionsquote von anfangs 150 Stück pro Woche wurde auf zunächst 500 Stück pro Woche und bis Ende 1916 sogar auf 1.000 Stück pro Woche gesteigert. Dieses Wachstum wurde sogar von der britischen Regierung finanziert. Bis 1919 produzierte BSA cirka 145.000 Lewis MGs.
In den USA wurden weitere Lewis MG vom Hersteller Savage Arms hergestellt. Im Juli 1915 gingen 500 Stück an Kanada. Savage Arms belieferte Großbritannien und stellte bis Juni 1918 etwa 50.000 Lewis MG alleine für die USA her. In Frankreich wurden etwa 4.400 Lewis-MG in Flugzeugausführung (Magazin mit 97 statt 47 Schuss) von dem französischen Hersteller Darne hergestellt.
Die Zeit zwischen den Kriegen
Mit Kriegsende stoppte die Produktion in USA und in Großbritannien. Die Weltwirtschaftskrise ließ Investitionen der Militärs bremsen und Weiterentwicklungen seitens BSA fanden keine Abnehmer.
Lizenz für die Niederlande
Die Niederlande beschlossen, das erfolgreiche leichte Maschinengewehr von Lewis in der Armee zu verwenden. Man erwarb eine Lizenz und stellte bis 1940 etwa 10.000 Lewis MG her. Die Produktion erfolgte im Arsenal Artillerie-Inrichtingen.
Das Lewis MG trägt in den Niederlanden die Bezeichnung M.20. Die Streitkräfte der Niederlande nutzten das M.20 als Flugzeugbewaffnung, klassisch für den Bodeneinsatz in Panzerwagen und bei der Kavallerie. Alle Varianten unterschieden sich in Details. Bordwaffen wurden zumeist mit dem sogenannten doppelten Spatengriff mit Daumenabzug ausgestattet. Andere Varianten verfügten über einen Klappschaft.
Bei der Munition gab es im Jahr 1925 einen Wechsel. Man stieg in diesem Jahr von der Patrone 6,5 × 53 mm R auf die neue 7,92 × 57 mm um. Die Magazine wurden einheitlich mit 97 Schuss Munition bestückt, wie die früheren Flugzeugmagazine.
Pantserwagen M38
Das Lewis MG M.20 wurde beispielsweise im Pantserwagen M38 eingesetzt. Das 1938 eingeführte Fahrzeug war mit seinem Vorgänger des Jahres 1936 (Pantserwagen M36) bei der 1. und 2. „Eskadron Pantserwagens“ bei der niederländischen Kavallerie eingesetzt. Insgesamt 14 Stück des Pantserwagen 38 gab es dort. Aufklärung und Infanterieunterstützung waren die Hauptaufgaben des Pantserwagen 36 und 38. Die Bewaffnung bestand aus einer 37mm Bofors Kanone und zwei Lewis MG M.20 des Kalibers 7,92mm. Fünf Mann Besatzung benötigte das 7 Tonnen schwere Fahrzeug, dessen 150 PS Motor das Fahrzeug auf 60 km/h beschleunigte (rückwärts 40 km/h). Die Panzerung war allerdings etwas dürftig: 5mm bzw. 9mm reichten 1940 nicht mehr aus.
Die 1. Pantserwagen Eskadron ( und im Jahr 1938 auch die 2. ) waren der Leichten Brigade unterstellt, die später zur Leichten Division umgegliedert wurde. Dies war eine hochmobile Division der Armee. Die Eskadron war in der Garnison in Den Bosch untergebracht, in der Isabelle Kaserne, in welcher auch eine andere Einheit der leichten Division untergebracht war, nämlich das Fahrrad-Regiment.
Schon bald nach Aufstellung der 1. Eskadron formierten sich Pläne für die Aufstellung der 2. Eskadron. Der Verteidigungshaushalt des Jahres 1937 ermöglichte die Beschaffung weiterer 14 Pantserwagen, dem Landsverk L180 oder M38 Pantserwagen. Am 1. Juni 1938 wurde die 2. Eskadron aufgestellt. Diese Eskadron wurde in der Umgebung von Amersfoort in der neu errichteten Bernhard-Kaserne untergebracht. Prinz Bernhard war zugegen, als die Eskadron aufgestellt wurde. Vor der Eröffnung der Bernhard-Kaserne am 22.05.1918 wurde die Eskadron in der Infanterie-Kaserne untergebracht.
Genau wie die 1. Eskadron war auch die 2. Eskadron bei ihrer Aufstellung nicht vollständig ausgerüstet. Sie besaß nur 8 der 12 Pantserwagen und ein paar Motorräder. Es waren Harley Davidsons, da die bestellten BMW-Maschinen noch nicht geliefert waren. Desweiteren verfügte man über zwei Feldwägen für Munition sowie zwei Lkw. Während die Ausbildung der Rekruten noch nicht gestartet hatte, besaß der Stab der Einheit bereits Erfahrung, da er aus dem Personal der 1. Eskadron gebildet wurde. Als Ende August 1939 die General Mobilmachung proklamiert wurde, war die Eskadron noch immer nicht bis zur Sollstärke ausgestattet.
Im November 1939 wurden der 1. und 2. HZug der 2. Eskadron nach Barneveld verlegt, der 3. und 4. Zug wurden in Apeldoorn stationiert. In der zweiten Hälfte des April 1940 nahmen alle an einer Übung in der Wonsstelling (Friesland) teil. Danach wurden der 1. und 2. Zug nach Schiphol zur Verstärkung der Verteidigung des Flughafens abkommandiert. Ende April wurden sie von der 1. Eskadron zurückbeordert und verlegten nach Apeldoorn. Somit war zu Beginn des Monats Mai 1940 die gesamte 2. Eskadron Pantserwagen „2 E. Paw.“ in Apeldoorn stationiert.
Das Lewis MG M.20 im Einsatz bei der Kavallerie
Etwa 10.000 Lewis MG M.20 wurden bis 1940 in den Niederlanden hergestellt. Bei einer Mobilisierungsstärke von etwa 300.000 Mann kommt auf etwa 30 Soldaten ein Lewis MG M.20. Somit war das Lewis MG M.20 eine sehr häufig anzutreffende Waffe in der Armee der Niederlande.
Unsere nachfolgenden Fotos zeigen Lewis MG M.20 bei der Kavallerie, verladen auf Pferden.
Soviel für heute aus den Niederlanden des Jahres 1940.
Sturmi
Bildnachweis: © FrankM mit freundlicher Genehmigung des Cavaleriemuseum Amersfoort