Schon als die Entwicklung der Hubschrauber ganz am Anfang stand, hat es Versuche gegeben, die mechanisch komplexen Fluggeräte durch etwas besseres und vor allem schnelleres zu ersetzen. Eines dieser Projekte war die Sikorsky XV-2 von 1951. Das schnittige Fluggerät vereinigt Eigenschaften eines schnellen Jets mit denen eines Hubschraubers. Die Firma Arnigrand aus Hongkong nimmt sich immer wieder seltener Typen und Projekte an und bietet einen Modellbausatz der Sikorsky XV-2 im einzig wahren Maßstab 1/72 an.
Arnigrands Bausatz der Sikorsky XV-2
Arnigrand-Bausätze sind nicht jedermanns Sache. Sie sind aus Resin, was den einen oder anderen wegen des aggressiven Schleifstaubs stört. Zudem sind etwas andere Arbeitstechniken nötig – etwa die Arbeit mit Sekundenkleber und je nach Bausatzqualität mehr oder weniger aufwendige Schleifarbeiten. Der Bausatz der XV-2 besteht aus fünfzehn Resinteilen einschliesslich einer Kanzel aus tiefgezogenem, transparenten Plastik. Hinzu kommt ein eher spartanischer Abziehbilderbogen mit Nationalitätskennzeichen, ein paar Wartungshinweisen und dem Schriftzug „U.S. Army“ in verschiedenen Größen. Was wenig überraschend ist, denn von der Sikorsky XV-2 existierte nicht einmal eine Attrappe.
Arbeiten mit Resin-Teilen
Der Zusammenbau ist überwiegend problemlos. Allerdings hatte mein Bausatz an einigen deutlich sichtbaren Stellen offene Blasen. Ich füllte die drei kleinen Löcher mit Plastikstücken auf, die ich mit dünnflüssigem Sekundenkleber fixierte. Dabei formte ich so gut es ging die ursprüngliche Kontur des Teils nach. Dann glich ich alles mit Spachteln und Schleifen an. Am fertigen Modell sind diese Partien nicht mehr sichtbar. Zum Glück. Da habe ich wohl ein Montagmorgen-Modell erwischt.
Luftblasen treten gerne mal in Resinbausätzen auf. Dann hat sich irgendwo in der Gußform Luft festgesetzt. Von außen sind diese Blasen nicht zu sehen. Man kann sie während der Produktion entfernen, indem man die Form mit dem erstarrenden Resin sanft vibrieren lässt. Die meisten Blasen steigen dann in der Form noch oben und verschwinden. Hundertprozentig sicher ist diese Methode allerdings nicht. Allerdings gehört Arnigrand zu den Herstellern von Resin-Modellen mit einem recht hohen Qualitätsstandard. Ich habe schon wesentlich schlimmere Resinmodelle gebaut – zum Beispiel einen Weltkrieg I-Panzer, dessen Kettenlaufwerk und Unterseite eigentlich nur aus kleinen Löchern bestand. Außerdem war etwa ein Drittel der Nietenköpfe auf der Panzerung nicht ausgegossen. Auch hier grinsten mich dutzende kleiner Löcher an.
Da war ich über die weitgehend glatte Oberfläche der XV-2 sehr erleichtert. Beim Zusammenbau fielen die üblichen Nacharbeiten an. Weil mir nicht gefiel, was Arnigrand anbot, tauschte ich die Hauptfahrwerksbeine des Bausatzes gegen Fahrwerksbeine einer P-51 aus.
Meine Sikorsky XV-2 ist Olivgrün
Arnigrand schlägt eine Bemalung in Naturmetall vor. Die war in den 1950er Jahren bei Düsenflugzeugen weit verbreitet, ist also ein plausibler Vorschlag. Allerdings war mir die Modelloberfläche nicht glatt genug, und ich wollte mich nicht an den Versuch machen, das im Vergleich zu Polystyrol eher weiche Resin zu polieren. Also entschied ich mich für die damalige Standardbemalung der amerikanischen Heeresflieger – glänzendes Olivgrün.
Bemerkenswert an dem Projektflugzeug Sikorsky XV-2 ist die Methode, senkrecht zu starten und zu landen. Sikorsky hat hier ein einziges, einklappbares Rotorblatt mit einem Ausgleichsgewicht am entgegengesetzten Rotorende. Angetrieben wurde der Rotor durch eine Düse an der Blattspitze, die ihre Luft aus dem Verdichter des Düsentriebwerks beziehen sollte. Die Sikorsky XV-2 sollte also starten und landen wie ein Hubschrauber, ansonsten aber Geschwindigkeiten und Flugeigenschaften eines Düsenjägers aufweisen.
Einsatzrollen für die Sikorsky XV-2
Eine der geplanten Einsatzrollen wäre die Rettung über feindlichem Gebiet abgeschossener Flieger gewesen. Die Sikorsky XV-2 hätte eine zweiköpfige Besatzung aus Pilot und Navigator gehabt, und außerdem Platz für Soldaten und gerettete Flieger. Aber das Flugzeug, oder ein anderes Flugzeug mit dieser Technologie hätte auch als Jäger, Erdkampfflugzeug oder Transporter dienen können.
Den Einzelrotor mit Gegengewicht hatte Sikorsky bereits 1948 an einem konventionellen Hubschrauber erprobt. Während der 1950er Jahre bauten die Sikorsky-Ingenieure mehrere Modelle für Tests im Windkanal und zum Erproben des mechanischen Systems. Allerdings zeigten die Tests, dass es schwieriger sein würde als erwartet, aus diesem Konzept ein echtes Flugzeug zu machen. Gerade der Bau eines Rotorblattes in voller Größe und der Betrieb des fertigen Systems lag damals jenseits des technisch Machbaren. Die Arbeit an der Sikorsky XV-2 wurde 1955 eingestellt.
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