„Ich bin ein Berliner!“ sagte nicht der Sturmi, sondern eine andere bekannte Persönlichkeit. Na, für ne Woche wurde der Sturmi dann doch ein Berliner. Es zog den Sturmi nämlich in die Hauptstadt und da hat er sich auch als eine der anzusteuernden Locations das Deutsch-Russische Museum in Berlin-Karlshorst ausgesucht.
Das Deutsch-Russische Museum
Eigentlich sollte es in Berlin ja ein reiner Familienurlaub werden. Mit den Enkelz im Rucksack und der Gattin zur Seite. So’n Klassiker halt. Dann hat sich der Sturmi an einen alten Bericht im Internet entsonnen, in dem jemand ein paar kleine Bilder russischer Panzer und ein paar große Worte anlässlich des eigenen Kurzbesuchs in eben diesem Museum von sich gegeben hat.
Natürlich hat sich der Sturmi damals schlau gemacht und entdeckt, dass sich das Museum auf dem Areal der Heerespionierschule I der früheren Wehrmacht in der Zwieseler Straße befindet. Könnte ja auch mal spannend sein, sich das genauer anzusehen. Zudem verspricht die Wikipedia-Seite „eine Sammlung von weiterem sowjetischen Militärgerät aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit“.
Der Besuch im Museum war auch deswegen spannend, weil der Ort als Stätte historischer Ereignisse im Laufe der Jahre verschiedene Wandlungen durchlaufen hat. Ab Mai 1945 diente es der SMAD ( Sowjetischen Militäradministration in Deutschland ) als Amtssitz, später erhielt hier die DDR im Jahre 1949 die staatliche Vollmacht. 1967 wurde hier das „Museum der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschland im Großen Vaterländischen Krieg“ eingerichtet. Der Name des Museums wandelte sich dann auf die aktuelle Bezeichnung „Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst„. Was würde im Museum zu sehen sein? Welche Zeitdokumente darf man sich erwarten? Welchen Fokus haben die Exponate? Ein bisschen wird man wohl auch herauslesen können auf welche Sichtweise der gemeinsamen Geschichte sich die beiden im aktuellen Namen des Museums genannten Staaten geeinigt haben.
Ein erfreuliches Erlebnis am Eingang: der Eintritt ist frei. Für den im mittlerweile sehr teuren Berlin bereits ordentlich geschröpften Touristen Sturmi eine sehr angenehme Erfahrung.
Das Offizierskasino…
… der ehemaligen Heerespionierschule I beherbergt das Museum. Ein bisschen enttäuscht ist man da schon. Folgt man vom S-Bahnhof Berlin-Karlshorst den Hinweisschildern zum Museum, führt der Weg schließlich durch die Rheinsteinstraße zum Museum. Der Weg ist gesäumt von freundlich wirkenden Häusern mit Vorstadtcharakter. Kein DDR-Mief ist mehr zu spüren. Alles ist trefflichst und aufs Modernste renoviert. Die Siedlung könnte genauso gut im Rhein-Main-Gebiet oder Norddeutschland oder Bayern stehen. Angenehm: hier steht/stand hinreichend Platz zur Verfügung, was sich in großzügiger Bebauung niederschlägt. Alles strahlt Ruhe, Frieden und Kleinstadtidyll aus. Die für Berlin typischen fünf-stöckigen Gebäude am S-Bahnhof wirken schon unwirklich fern. Die Zeit scheint etwas still zu stehen.
Doch dann trifft das Auge plötzlich und unerwartet auf das Museumsgebäude in der typischen DDR-Farbgebung. Die staubbraune Fassade lässt hier alles vermuten, nur nicht den historischen Ort an dem die Kapitulationsurkunde unterzeichnet und damit der Untergang Hitlerdeutschlands besiegelt wurde. Ein wenig würdiger hätte man es schon erhofft.
T-34-Denkmal auf dem Außengelände
Der Kranz ist wohl dauerhaft angebracht, die Blumen sind aus „Plaste“ gefertigt. Die Inschrift auf der rückwärtigen Mauer kann ich nicht übersetzen, es steht auch diesbezügliche keine Infotafel bereit. Anders vor dem Panzer. Da gibt es schon mehr Informationen.
Die Gedenktafel kann den Blickwinkel des Triumphs nicht verleugnen. Die Worte wirken ein wenig wie die Inschriften von Plakaten, wie man sie aus den Zeiten der DDR kennt. Die Tafel ist klar neu und aus „Westproduktion“. Der Inhalt ist klar noch old school DDR/Sowjet-Slang. Da hat sich „nüscht jeändat“. Aber das ist ja auch das Sieges-Denkmal im Außenbereich. Im Museumsgebäude selbst wird sicher mehr geboten. In Wikipedia list man hierzu: „Die nach der Deutschen Wiedervereinigung (1990) in Folge des Zwei-plus-Vier-Vertrags (1991) getroffenen Vereinbarungen über den Abzug der sowjetischen Streitkräfte auf dem Gebiet der ehemaligen DDR einigten sich die Partner, an diesem historischen Ort gemeinsam an die Geschichte des Deutsch-Sowjetischen Krieges und das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft zu erinnern. Nach einer Umgestaltung wurde im Mai 1995 das Deutsch-Russische Museum eröffnet.„.
Nun, die technischen Daten zum T-34 schlagen dann ein wenig die Brücke zum Table-Top-Spiel. Ich erinnere mich an meinen Bezug zum Thema: Table-Top. Nun denn, let’s enter…
Im Museum
Das Museum bietet auf mehreren Ebenen Ausstellungsräume mit ganz unterschiedlichen Exponaten und Themen. Die Enkelz schnappen sich den Audioguide ( Klar, Generation Smartphone… ) ich verlasse mich auf meine Augen, die noch lesen können! Fotografieren ist erlaubt – nur Blitzlicht ist verboten, wie man mir auf Nachfrage freundlich mitteilt.
In einer Vitrine werden plastisch ausgeprägte Worte aus dem Themenfeld des „8. Mai“ gezeigt. Die Ausgestaltung trägt nach meiner Empfindung die Handschrift eines westlich geprägten Künstlers – konnte leider keinen konkreten Hinweis darauf entdecken. Die Worte selbst kommen aber nach meinem Empfinden eher aus dem sowjetischen-Triumph-Vokabular. Aha. Bis man sich auf Augenhöhe begegnen wird, dauert wohl noch ein paar Generationen an. Dann weiß man das ja jetzt.
Der große Speisesaal der Heerespionierschule I Karlshorst
Ich entscheide mich für einen Rundgang im Erdgeschoss. Der große Speisesaal der Heerespionierschule Karlshorst ist im damaligen Zustand erhalten und ich nehme im Saal „100“ (Audioguide-Kennung) die Stimmung auf. Ein in Endlos-Schleife laufender Filmclip spult Szenen des historischen Ereignisses ab. Den Herrschaften Alliierten steht der Sieg auf die Stirn geschrieben. Klar. Erhöhter Zigarettenkonsum und Anspannung auf der Gegenseite. Auch klar.
Der schön getäfelte Speisesaal hat eine bedrückende Ausstrahlung. Nicht ob der hier stattgefundenen Ereignisse, sondern ob seines sauerstoffarmen Einrichtungsstils. So also darf man sich das „Damals“ vorstellen. Von der Bundeswehrzeit kennt man noch den Charakter des „Kasinos“ als einem Ort, an dem man sich gerne aufgehalten hat. Diese Einordnung will man hier nicht vornehmen. Aber die Zeiten waren ja auch anders. Der „Zeitgeist“ damals…
Ein Foto habe ich hiervon nicht geschossen. So der Bringer war es wirklich nicht.
Diorama „Sturm auf den Reichstag“
Der freundliche Herr am Eingang rät mir, das Diorama „Sturm auf den Reichstag“ aufzusuchen. Es sei mit sehr viel Akribie gestaltet und vermittle einen sehr guten Eindruck vom historischen Geschehen. Das macht den Sturmi neugierig. So gehe ich auf die Suche und entdecke es in einem kleinen Nebenraum. Das ist sehr schade, denn das Thema gibt nach meiner Meinung in Bezug auf die Gestaltungsmöglichkeiten einiges her und kann auch sicher mehr Raum füllen.
Hier erst mal vier Fotos aus der Kammer.
Die Tafel gibt interessante Hintergrundinformationen zum Diorama. Michail Ananjew aus dem Moskauer Grekow-Studio war mir bislang nicht geläufig. Darstellungen wie diese sind offenbar vielerorts zu sehen.
Als Dioramenbauer hätte ich eine mehr dokumentarische Variante erwartet. Michail Ananjew hat sich für die eher emotionale Aufbereitung des Themas „Sturm auf den Reichstag“ entschieden. Warum auch nicht? Sein Auftraggeber und Dienstherr wollte sicher das auf der Tafel beschriebene wichtige Event „konservieren“ und was ist für einen Machtmenschen großartiger als die Sekunde des Sieges?
Der Vordergrund des Dioramas zeigt allerlei „militärisches Treibgut“. Ich entdecke eine Gasmaske und sonstige schwer identifizierbare Gegenstände. Nun, der Vordergrund soll ja nur eine apokalyptische Stimmung projizieren und das Augenmerk des eingefangenen Betrachters auf das zentrale Hintergrundbild lenken.
Interessant finde ich, dass das russische Augenmerk auf der Erstürmung des Reichstags liegt. Für mich wäre es eher ein untergeordnetes Event, das auf die befreiende Zäsur, dem Ende des nationalsozialistischen Regimes, hinarbeitet. Letzteres hätte für mich im Fokus gestanden. Für mich, aus meiner heutigen Sicht eines deutschen Bürgers. Für Stalin, als den Moment des Sieges der einen politischen Doktrin über deren ärgste Widersacherin. Aber so unterscheiden sich eben die Menschen.
Auch wenn ich jetzt so viele Worte darüber verloren habe, so der große Brüller war das Diorama nun wirklich nicht. Von der Machart her und es hat entgegen der Ankündigung von räumlicher Tiefe und Wirklichkeitsnähe mehr eine unspezifische Untergangsstimmung verströmt.
Was nehme ich mit? Einen technischen Effekt… An verschiedenen Stellen wurde eine „kupferartige Schicht“ aufgebracht, die im Widerschein des kärglichen Lichts des Kämmerchens den Eindruck von brennendem, flackerndem Feuer erweckt. Das wird sicher Einzug in eines meiner nächsten Dioramen finden.
Erste Etage
In der ersten Etage des Museums finden sich szenisch aufbereitete Themen aus dem deutsch-sowjetischen Kapitel des 2. Weltkriegs. Die Behandlung russischer Kriegsgefangener, Partisanen sind nur zwei davon. Kriegsverbrechen der Wehrmacht und anderer Organisationen sind der ordnende Oberbegriff für die verschiedenen Räume. Ein Führer eröffnet einer Gruppe von Besuchern die Themenwelten, als ich das Stockwerk betrete. Er schildert emotional eindringlich den Alltag im deutsch-sowjetischen Krieg. „Und wat ham wia da jemacht? Det globen se nich. Die ham die alle erschossen. Hat se keener zu gezwungen. Hätten nur ‚Nee‘ sagen müssen.“ Auf meine Fragen zu Details kommt nichts. „Det sehn se doch hia.“ Schade, dass das Thema nur derart auf Stammtischniveau kommuniziert wird. Da geht echt mehr.
Ich gebe mir das nicht länger und nehme meinen eigenen Weg durch die Räume. Deutsche Kriegsverbrechen werden flächendeckend ausgebreitet. Allesamt recht ekligen Angelegenheiten. Zu den sowjetischen Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg finde ich nichts, leider Fehlanzeige. Das wirkt nun wieder etwas selektiv. Schade eigentlich. Der Blick fällt offenbar immer noch leichter auf den Zeigefinger als in den Spiegel.
Was nehme ich Positives mit? Es gab eine Reihe von russischen Plakaten aus der Zeit. Es ist weniger die kommunizierte Botschaft, als vielmehr der sehr typische Stil, den ich interessant finde. Ich nehme ein paar Fotos, die ich euch hier gerne zur Ansicht gebe.
Dieses Foto fiel mir auch auf und in die Hände: russische Granatwerfer in Aktion. Für den Sturmi natürlich ein Must-Have…
Sonderausstellung
Die Sonderausstellung wurde bereits am Eingang groß angekündigt. „Juni-Briefe – ungelesene Feldpost aus Kamenez-Podolsk“ lautet der Titel der Sonderausstellung. Briefe von Rotarmisten und Einwohnern der ukrainischen Stadt Kamenez-Podolsk an Angehörige, welche die Adressaten nie erreichten, sondern von der deutschen Besatzungsverwaltung einbehalten wurden.
Mich interessierte es, die Gedanken und die Stimmung der Menschen kennenzulernen. Wie nahm man damals die Ereignisse wahr?
Ich will die Briefe nicht kommentieren, sondern euch hier eine Auswahl davon als Fotos geben. Lest selbst und kommt ins Grübeln. Interessant fand ich es allemal.
Außenbereich: Sammlung militärischer Fahrzeuge
Der ursprüngliche Aufhänger für meine Fahrt nach Karlshorst ist die in Aussicht gestellte Sammlung historischer militärischer Fahrzeuge sowjetischer Provenienz. Nachdem ich im Innern des Museums hineichend Content getankt habe, mache ich mich auf nach draußen. Der Weg führt in den „Garten“ hinter das Museum. „Garten“ hört sich nicht so wirklich nach Ausstellungsfläche für einen Fahrzeugpark an – trifft es aber sehr gut.
Hinter dem Museumsgebäude findet sich die „Sammlung“:
- eine ZIS-2 Pak
- eine ZIS-3 Pak
- eine M-30 Haubitze
- eine Katjuscha
- eine SU-100
- eine ISU-152
- ein IS-2
Ein langgezogenes „Okääääääääy“ ist hier durchaus angemessen. Die Klassiker kennt man ja, ein paar ausgefallene Stücke wären schön gewesen.
Nachdem ich nu schon mal vor Ort war, habe ich dann aber doch die Kamera mal rattern lassen und mitgebracht, was da war.
ZIS-2 57mm-Pak
ZIS-3 76mm-Pak
122mm-Haubitze M-30
BM-13 Katjuscha auf SIL-151
SU-100
ISU-152
IS-2
Damit ist der Besuch von Sturmi im Deutsch-Russischen Museum beendet. Fazit: hie und da hätte man sich durchaus etwas mehr erwartet und erwarten dürfen. Immerhin dauert der Besuch nur etwa 90 Minuten, war somit zu verschmerzen. Das anschließende Essen beim Italiener „Al Dente in der Auguststraße“ war eine echte Entschädigung für den Museumsverschnitt. Die Tagliatelle „Al Dente“ sind emppfehlenswert!
Das wars für dieses Mal.
Stay tuned,
Sturmi.
Bildnachweis: © alle sschwarzer.de
5 Kommentare
Moin Sturmi,
na, das war ja ein ausgiebiger Museumsbesuch! Tolles „walk around“! Danke fürs Zeigen!
Gruß, Waterliner
Hallo Waterliner,
na, hätte hier gerne mehr gezeigt. Aber man ist dort mit technischem Gerät recht knauserig.
Viele Grüße und hoffentlich auf bald mal wieder,
Sturmi
Soso, ein Besuch in Berlin. Hättest ja mal Bescheid geben können.
„Fazit: hie und da hätte man sich durchaus etwas mehr erwartet und erwarten dürfen. Immerhin dauert der Besuch nur etwa 90 Minuten, war somit zu verschmerzen.“
Ergänzend dazu wäre noch anzumerken, dass die Ausstellung für lau zu haben ist. ;)
Hallo Farin,
ja, das wollte ich auch. Allerdings habe ich meinen Enkelz bereits den Museumsbesuch abringen müssen. Ich habe nicht gewagt, um mehr zu bitten…
Der nächste Berlinbesuch steht jedoch bereits fest, wenngleich der Termin noch offen ist. Da wir das Shopping dieses Mal abgefrühstückt haben, wird man (frau) nächstes Mal sicher Milde walten lassen und wir können uns den wirklich wichtigen Themen zuwenden!
Grüße in die Hauptstadt
Sturmi
Ist doch kein Problem. Für solch Zwangspunkte familiärer Art habe ich natürlich Verständnis.
Vielleicht sehen wir uns schon in Nieder-Olm. Derzeit laufen erste Planungen. :)
Bis neulich!