Westland Wyvern: Ein Trägerflugzeug mit einem sehr lauten Charakter

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Die Westland „Wyvern“ fällt eigentlich immer irgendwie auf. Zu ihrer Zeit gehörte sie mit ihrer 4000 PS starken Propellerturbine und dem gegenläufigen Propeller zu den lautesten Flugzeugen überhaupt – obwohl darunter in erster Linie die Decksmannschaften britischer Flugzeugträger und ihre Piloten gelitten haben dürften. Für den Modellbauer zählt natürlich in erster Linie das Aussehen. Da bekommt man dann nämlich ein eher urtümlich aussehendes Flugzeug in Fleet Air Arm-Markierungen aus den Fünfziger Jahren, obwohl der Look eher in den 2. Weltkrieg passt.

Westland Wyvern

Die „Wyvern“ war ein trägergestützter Bomber, den die Royal Navy in den Fünfziger Jahren von Flugzeugträgern aus einsetzte. Außerdem war sie das erste britische Marineflugzeug mit Turboprop-Antrieb. Von den Bausatzherstellern wurde sie lange Zeit kaum beachtet. Die „Wyvern“ war eben keine „Spitfire“ oder „Hurricane“ mit tausenden von produzierten Maschinen und dem Status einer Luftfahrt-Ikone. So mussten wir Modellbauer uns lange mit einem überalterten Frog-Bausatz aus den Sechziger Jahren oder allerlei Kleinserienprodukten herumschlagen. Ich fand das immer ein bisschen schade, weil das Flugzeug durchaus Charakter besitzt und eine gewisse luftfahrthistorische Bedeutung hat.

Der Trumpeter-Bausatz 01619 der Westland „Wyvern“

Trumpeter liefert mit seinem Westland „Wyvern“ Bausatz 01619 ein sehr gutes Produkt ab.

Trumpeter liefert mit seinem Westland „Wyvern“ Bausatz 01619 ein sehr gutes Produkt ab.

Dann kam 2005 der Trumpeter-Bausatz im einzig wahren Maßstab 1/72 heraus. Mir fiel die Kaufentscheidung leicht, weil sich nun endlich eine Alternative zum sehr rudimentären und im Internet außerordentlich teuren Frog-Bausatz oder zu recht guten, aber ebenfalls außerordentlich teuren Resin-Bausätzen bot. Trumpeter liefert mit seinem Westland „Wyvern“ Bausatz 01619 ein sehr gutes Produkt ab. Die charakteristischen Details sind gut getroffen. Außerdem bestechen die kleineren Teile durch ihre filigrane Ausführung. Wer will, kann das Trägerflugzeug mit gefalteten Tragflächen darstellen. Außerdem hat Trumpeter ein reichhaltiges Waffenarsenal beigelegt. Man kann das Flugzeug also entweder mit einem Torpedo, als Bomber oder als Raketenträger ausrüsten. Außerdem liegen Zusatztanks und Startraketen bei.

Fast perfekter Zusammenbau

Bis heute ist die „Wyvern“ eines von ganz wenigen Kampfflugzeugen mit Propellerturbinen-Antrieb.

Bis heute ist die „Wyvern“ eines von ganz wenigen Kampfflugzeugen mit Propellerturbinen-Antrieb.

Der Zusammenbau machte einige kleine Probleme. Ich finde zusammengeklappte Flugzeuge ziemlich seltsam und wollte daher das Flugzeug so darstellen, wie es aussieht, kurz bevor ein Pilot einsteigt – also mit einer vollen Waffenlast und ausgeklappten Flügeln. Das erforderte etwas Schleifarbeit, weil die einzeln Flügelteile nicht richtig passen. Trumpeter hat nämlich jeden Flügel, wie beim Original, in drei Komponenten zerlegt, die zusammengefügt werden müssen. Es gibt also auf jeder Seite einen starren Innenflügel, einen anklappbaren Außenflügel und anklappbare Flügelspitzen. Zum Glück hält sich der Aufwand in engen Grenzen. Den überlegten Gebrauch von Feile und Schleifpapier vorausgesetzt, ist am fertigen Modell nichts davon zu sehen. Dann bekam der Schleudersitz noch ein paar Gurte verpasst, das wars.

Eine „Wyvern“ von der HMS „Ark Royal“

Das Modell stellt eine an Bord der HMS „Ark Royal“ stationierte Maschine dar.

Das Modell stellt eine an Bord der HMS „Ark Royal“ stationierte Maschine dar.

Bei der Bewaffnung wählte ich die schrägste, aber auffälligste Variante – Torpedo und ungelenkte Raketen. Was trotzdem passt, weil die „Wyvern“ ursprünglich als „Torpedo Fighter“, also als schneller Torpedobomber gedacht war. Der Bausatz enthält Markierungen für drei Maschinen, eine aus dem Suez-Krieg von 1956, die auf der HMS „Eagle“ eingesetzt war, sowie zwei weitere Flugzeuge aus den späteren Jahren. Hier sind wiederum Maschinen von der HMS „Eagle“ dabei, aber auch eine von der HMS „Ark Royal“, für die ich mich entschied. Das hatte rein nostalgische Gründe; ich habe 1977 mit meinem Vater die HMS „Ark Royal“ besichtigt, bevor sie im folgenden Jahr außer Dienst gestellt wurde. 1977 waren die „Wyverns“ längst Geschichte, aber dafür standen „Phantoms“, „Buccaneers“, „Gannets“ und „Sea King“-Hubschrauber an Deck – der Abgesang der Ära, in der auf britischen Flugzeugträgern noch richtige Jets stationiert waren.

Mit dieser Bewaffnungsvariante sind die „Wyverns“ nie im Einsatz geflogen – aber das fand ich erst heraus, als ich das Modell längst fertiggestellt hatte. Üblicherweise trugen die Flugzeuge einen Zusatztank unter der Rumpfmitte, während Bewaffnung und weitere Tanks unter den Flächen Platz fanden. Torpedos und Raketen wurden schon im 2. Weltkrieg nicht am gleichen Flugzeuge geflogen; üblich waren gemischte Formationen aus Torpedobombern und Raketenträgern.

Mit dieser Bewaffnungsvariante sind die „Wyverns“ nie im Einsatz geflogen – aber das fand ich erst heraus, als ich das Modell längst fertiggestellt hatte. Üblicherweise trugen die Flugzeuge einen Zusatztank unter der Rumpfmitte, während Bewaffnung und weitere Tanks unter den Flächen Platz fanden. Torpedos und Raketen wurden schon im 2. Weltkrieg nicht am gleichen Flugzeuge geflogen; üblich waren gemischte Formationen aus Torpedobombern und Raketenträgern.

Die Lackierung erfolgte mit der Spritzpistole. Ich nutzte die Emaille-Farben von XtraColor, und zwar X004 Dark Sea Grey BS 638 für die Oberseiten und X007 RAF Sky BS 210 für die Unterseiten. Fahrwerksbeine und Fahrwerksschächte sind aluminiumfarben, das Cockpit schwarzgrau. Den Schleudersitz bemalte ich nach Fotos; allerdings ist auch er überwiegend schwarzgrau, den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend.

Die Entwicklung der „Wyvern“ begann im 2. Weltkrieg

Die ersten Entwürfe für die „Westland Wyvern“ entstanden noch während des 2. Weltkrieges.

Die ersten Entwürfe für die „Westland Wyvern“ entstanden noch während des 2. Weltkrieges.

Die Entwicklungszeit der Westland „Wyvern“ ist überraschend lang, während die Einsatzzeit nicht einmal ein volles Jahrzehnt erreichte. Die ersten „Wyvern“ S. 4 kamen im Mai 1953 zur Truppe, wurden allerdings wegen technischer Probleme erst im April 1954 für den Einsatz auf Flugzeugträgern freigegeben. Bereits 1958 wurden die „Wyverns“ wieder aus dem Einsatz gezogen. Neun Einsatzstaffeln und eine Umschulungseinheit waren mit dem Typ ausgerüstet gewesen.

Die Entwicklung des Flugzeugs begann 1944, als Westland mit Studien für ein schweres Trägerjagdflugzeug begann, das auch Torpedos tragen sollte. Der ursprüngliche Entwurf von Westland sah einen flüssigkeitsgekühlten Rolls Royce „Eagle“ 22 mit 24 Zylindern und 2690 PS vor, der in der Rumpfmitte untergebracht sein sollte und den gegenläufigen Propeller über eine lange Welle antreiben sollte, die unter dem Cockpitboden hindurchführte. Allerdings wurde das Arrangement noch vor dem Bau des ersten Prototypen geändert. Der Pilot saß nun, wie üblich, in der Rumpfmitte und im Schwerpunkt des Flugzeugs, den Motor vor sich. Die „Wyvern“ TF.1 flog am 16. Dezember 1946 erstmals. Es folgten vier weitere Prototypen und sieben Vorserienmaschinen.

Auf der Suche nach dem richtigen Motor

Sinnigerweise wurde nun die weitere Entwicklung des „Eagle“-Motors abgebrochen. Zum Glück hatten die Konstrukteure das Flugzeug bereits für eine mögliche Ausrüstung mit den damals neuen Propellerturbinen vorbereitet. Allerdings gestaltete sich die Suche nach einem neuen Triebwerk schwierig. Der Rolls Royce „Clyde“-Turboprop wurde zwar installiert und erprobt, aber Rolls Royce gab auch dieses Vorhaben auf. Die Napier „Nomad“-Turbine wurde nie gebaut. Am Ende lief es auf die Armstrong Siddeley „Python“ hinaus.

Die so entstandene „Wyvern“ TF. 2 flog erstmals am 22. März 1949 und verfügte über die segensreiche Errungenschaft eines Schleudersitzes, sodass der Pilot im Notfall eine größere Chance hatte, beim Absprung vom Flugzeug mit seinem riesigen Propeller und dem auch nicht gerade kleinen Leitwerk freizukommen.

Westland begann nun mit dem Bau einer Serie von 20 „Wyvern“ TF.2, die hauptsächlich dafür genutzt wurden, die zahllosen Kinderkrankheiten der damals revolutionären Propellerturbine auszumerzen. Die frühen „Python“-Triebwerke nahmen es übel, wenn der Pilot kleinere Veränderungen an der Stellung des Gashebels vornahm. Also regelte man den Output des Triebwerks über die Einstellung der Propellerblätter. In der nächsten Version, der TF. 4, waren diese Mängel behoben. Sie flog im Mai 1951 zum ersten Mal und wurde in „Wyvern“ S.4 umbenannt. „S“ steht für „Strike“ und sollte die reine Luftangriffsrolle der „Wyvern“ kennzeichnen.

So wurden von der TF.2 nur neun Maschinen gebaut, während alle anderen Flugzeuge als S.4 das Werk verließen. Von der „Wyvern“ S.4 wurden insgesamt 98 Stück produziert, was die Gesamtzahl auf 127 Stück brachte.

Der Einsatz der „Wyvern“ im Suez-Krieg 1956

Ihren einzigen Kriegseinsatz erlebte die „Wyvern“ im Suez-Krieg von 1956. Auf der HMS „Eagle“ stationierte Maschinen griffen Ziele in Ägypten an, um britischen und französischen Truppen den Weg zur Eroberung des Suezkanals zu öffnen. Ägypten hatte kurz vorher den Suez-Kanal verstaatlicht und die britisch-französische Kanalgesellschaft vor die Tür gesetzt. Daraufhin hatten erst Israel, dann Großbritannien und Frankreich Ägypten angegriffen; Israel mit der Erklärung, auf den mit ägyptischer Unterstützung durchgeführten Kleinkrieg an der Grenze zum Negev zu reagieren, die beiden ehemaligen Kolonialmächte mit der Ausrede, die streitenden Parteien trennen zu wollen. Bei den Einsätzen gingen zwei Maschinen verloren, deren Piloten aber von Hubschraubern der „Eagle“ gerettet wurden.

„Wyvern“-Piloten flogen nicht das Flugzeug, sondern das Triebwerk

Der Friedensflugbetrieb war dagegen ungleich gefährlicher. Das Flugzeug selbst hatte keine problematischen Flugeigenschaften und war sogar recht leicht zu fliegen. Das Problem war die Propellerturbine, die immer wieder die Belastungen des Katapultstarts vom Flugzeugträger übel nahm. Die hohe Beschleunigung beim Start führte zu Schwankungen im Luft/Treibstoffgemisch oder sogar zum Unterbrechen der Treibstoffzufuhr, und das wieder zum gefürchteten „flame out“, dem Verlöschen der Flamme in der Brennkammer. Das war eine Macke der meisten frühen Düsentriebwerke und Turboprops. Ein Triebwerksausfall beim Start vom Flugzeugträger ist natürlich ein Super-GAU. Insgesamt hatte der Fleet Air Arm 68 Unfälle und 13 Todesopfer zu verzeichnen.

Die „flame out“-Probleme konnten schließlich gelöst werden. Allerdings blieb der Wartungsaufwand hoch. Zudem war die Reichweite so gering, dass Einsätze der „Wyvern“ ohne große Zusatztanks nicht möglich waren. Also konnte kein Torpedo mitgeführt werden, denn der Pylon unter dem Rumpf wurde für einen Zusatztank gebraucht. Beim Start mit voller Beladung mussten zusätzlich Hilfsraketen montiert werden. 1958 wurden die letzten „Wyverns“ außer Dienst gestellt und eingeschmolzen. Technisch interessant bleibt das Flugzeug, weil während der „Wyvern“-Entwicklung und Produktion die Grundlagen für den späteren Erfolg der Propellerturbinen als sichere und wirtschaftliche Triebwerke gelegt wurden.


Bildnachweis: © alle Friedrich List

Über den Autor

Mein Beruf ist das Schreiben; ich arbeite als freier Journalist, Texter und Buchautor. Das reicht für Leben und Modellbau, also auch für das eigentliche Leben. Beruflich wie als Modellbauer interessiert mich die Luftfahrt, speziell die der großen Luftfahrtländer. Ich baue auch gerne mal etwas, das aus dem Rahmen fällt. Hauptantriebskräfte: Neugier, Kaffee und ein guter Witz.

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